Deutschbalten

Deutschbalten
Deutschbalten,
 
im 19. Jahrhundert entstandene Bezeichnung für die deutschen Bewohner der Ostseeprovinzen des Russischen Reiches, der späteren Staaten Estland und Lettland; auch Baltendeutsche genannt. Sie bildeten seit der Herrschaft des Deutschen Ordens (13. Jahrhundert) eine Oberschicht aus Adligen (Ritterschaften), Ratsherren, Gelehrten, Geistlichen, Kaufleuten (Hanse; Gilden) und Handwerkern (Zünfte) unter einer ständischen Verfassung; ein deutscher Bauernstand fehlte. Der Kern des Baltentums ist nach Ausweis der Familiengeschichten westfälisch und niedersächsisch. Bis 1600 diente daher das Niederdeutsche als Schriftsprache, bis ins 18. Jahrhundert. als Umgangssprache. Dann wurde es durch ein stark niederdeutsch gefärbtes Hochdeutsch abgelöst. Deutschbalten spielten als Staatsmänner, Offiziere und Gelehrte in russischen Diensten eine große Rolle. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren viele baltische Gelehrte, Künstler und Literaten auch in Deutschland tätig, z. B. A. von Harnack, E. von Bergmann, G. Dehio.
 
Bis 1918 gehörte der baltische Großgrundbesitz zu einem großen Teil den Deutschbalten, wurde aber durch die Agrarreformen in den unabhängig gewordenen Staaten Estland (1919) und Lettland (1920) enteignet. Den Minderheiten wurde Kulturautonomie gewährt. 1934 lebten in Estland noch 16 300, 1935 in Lettland noch 62 000 Deutschbalten, davon 38 000 in Riga. Die Umsiedlung von 15 000 Deutschbalten aus Estland und von 55 000 Deutschbalten aus Lettland in das Gebiet des Deutschen Reiches beziehungsweise in annektierte Gebiete Polens (Wartheland, Westpreußen; dort 1945 Flucht und Vertreibung) aufgrund der Umsiedlungsverträge vom 15. beziehungsweise 30. 10. 1939 bedeutete praktisch das Ende der deutschbaltischen Volksgruppe. Für die wenigen in Lettland und Estland verbliebenen Deutschbalten, die nach Annexion und Einverleibung der baltischen Staaten in die UdSSR (Juni/August 1940) durch sowjetische Behörden enteignet wurden und die sich erst seit 1989/90 wieder zu ihrer Herkunft bekennen, sind 1991/92 Entschädigungsregelungen festgelegt worden.
 
 
Dt. Gesch. im O Europas: Balt. Länder, hg. v. G. von Pistohlkors (1994);
 W. Schlau: Die D. (1994).

Universal-Lexikon. 2012.

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